5 Tipps für mehr Souveränität als Ingenieurin in (d)einer Männerdomäne

Der schlichte Satz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ legte bereits 1949 im Grundgesetz das Fundament für die gleichen Rechte und Möglichkeiten, auch im Arbeitsmarkt. Seitdem ist zum Glück viel passiert, aber auch 75 Jahre später verdienen Frauen noch immer weniger und besetzen auch deutlich seltener Führungspositionen. Sich durchzusetzen und ihre Arbeit sichtbar zu machen, fällt auch hochqualifizierten Frauen oft noch immer schwer, besonders in typischen „Männerbranchen“, wie Tech und IT.

Die Herausforderungen als Frau in diesen Branchen kennt Anna Bukowski als promovierte Chemieingenieurin aus eigener Erfahrung nur zu gut. Als systemische Business Coachin mit Schwerpunkten in Emotionsmanagement, Kommunikation und Konfliktcoaching hat sie es sich zur Aufgabe gemacht Frauen in Tech & IT zu unterstützen, ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen und sich authentisch und souverän durchzusetzen. Ganz ohne als Gorilla aufzutreten. Dafür coacht sie 1:1, gibt Seminare und hält Keynotes.

VDI: Welche Erfahrungen haben Sie persönlich mit Geschlechterklischees und Vorurteilen gemacht und inwiefern hat das Ihren beruflichen Werdegang beeinflusst?

Anna Bukowski: Ehrlicherweise habe ich mich lange Zeit nicht mit Geschlechterklischees und potenziellen Hürden oder Benachteiligungen auseinandergesetzt. Ich war schon als Kind begeisterte Kampfsportlerin und habe mich bereits früh für Technik und naturwissenschaftliche Themen interessiert – für einige vermutlich eher „männliche“ Interessen, das spielte für mich jedoch nie eine Rolle.
Meine Wahrnehmung änderte sich jedoch, als wir im Grundstudium von einem Professor mit den Worten “Was macht ihr Frauen hier, ihr gehört nach Hause hinter’n Herd” begrüßt wurden. Wenn auch nicht immer so offensichtlich, so zeigte sich jedoch, dass eine solche Denkweise bzw. ein solches Verhalten weder im Studium, noch in der Arbeitswelt wirklich ein Einzelfall sind.
Nicht nur meine persönlichen Erfahrungen, sondern auch die Situationen, die ich bei anderen Frauen miterlebt habe, haben entscheidend zu meiner „Jetzt-erst-recht-Einstellung“ beigetragen: Denn wir Frauen können in diesen Bereichen mindestens genauso erfolgreich, wie unsere männlichen Kollegen sein.

VDI: Was sind aus Ihrer Coaching- und Joberfahrung die größten Schwierigkeiten, denen Frauen in Männerbranchen begegnen? Haben Sie konkrete Beispiele?

Anna Bukowski: Erfahrungsgemäß sind leider nach wie vor veraltete Rollenbilder und Vorurteile hinsichtlich Frauen in technischen Berufen vorhanden. Frauen werden häufig als weniger kompetent, weniger durchsetzungsstark oder auch weniger geeignet für Führungspositionen gesehen. Das hängt nicht selten mit der unterschiedlichen Kommunikation von Frauen und Männern zusammen. Frauen werden in unserer Gesellschaft oftmals bereits seit dem Kindesalter dazu erzogen und geprägt, auf Harmonie aus zu sein, besonders nett und bescheiden zu sein – also lieber einen Konflikt wegzulächeln statt die eigene Meinung oder den eigenen Lösungsansatz zu vertreten.
Oftmals führt das im Berufsleben dazu, dass Frauen gerade in technischen Berufen nicht gesehen und für ihre Kompetenz wahrgenommen werden.
Dazu kommt, dass  auf sich und die eigenen Stärken aufmerksam zu machen, die meisten Frauen eher unangenehm finden. So gehen viele in gewisser Weise unter und dabei bleibt ihr Potential auf der Straße liegen.
Sei es beispielsweise ein neues Projekt, für das eine Projektleitung gesucht wird oder auch die neue Teamleitungsposition – dafür werden viele Frauen erstmal gar nicht „in Betracht gezogen“.

VDI: Sind die Schwierigkeiten heute noch so groß oder gibt es ein Umdenken in den Unternehmen?

Anna Bukowski: Glücklicherweise hat sich hier schon etwas getan, doch es gibt immer noch viel Veränderungsbedarf. Das zeigt sich beispielsweise in den sich nur langsam veränderten Zahlen an Frauen im hohen Management von Tech-Unternehmen. Da es sich um ein systemisches Problem handelt, mahlen die Mühlen hierbei leider sehr langsam.

VDI: Sind die Frauen „selber Schuld“ und wie kommt es dazu, dass es noch immer so schwierig ist sich als Frau zu behaupten? Was machen Männer besser oder anders?

Anna Bukowski: Einer meiner Leitsätze ist „Don’t fix the people, fix the system”. Ganz klar sind Frauen nicht „selbst Schuld“ an den teilweise nach wie vor vorherrschenden systemischen Ungleichgewichten und Rollenbildern, die sich über Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte etabliert haben.
Grundsätzlich verhalten sich weder Männer noch Frauen „besser“ – das Verhalten ist oftmals einfach anders – wie etwa. auch der Führungsstil, der sich zwischen den Geschlechtern teilweise sehr unterscheidet.
Was wir Frauen uns an manchen Stellen jedoch gerne noch etwas abschauen dürfen, ist, mutiger zu sein. Mutiger „Ja“ sagen, wenn eine neue Möglichkeit mit mehr Verantwortung kommt, mutiger über unsere Erfolge sprechen, mutiger bewerben, auch wenn wir nicht 10 von 10 Anforderungen der Ausschreibung erfüllen – mal ehrlich, wer tut das schon?

VDI: Welche Strategien haben Sie entwickelt, um mit dominanten Personen umzugehen?

Anna Bukowski: Das ist prinzipiell sehr situationsabhängig. Einer der wichtigsten Punkte ist, sich nicht einschüchtern zu lassen, nur weil eine andere Person dominant oder besonders selbstbewusst auftritt. Selbst sehr klar und konkret mit dem eigenen Vorgehen oder beispielsweise den eigenen Lösungsvorschlägen zu sein, hilft auch enorm. Dafür ist eine gute Vorbereitung das A und O. Dabei zählt: Nicht nur die eigenen fachlichen Themen vorbereiten, sondern sich wirklich mit dem Gegenüber auseinander zu setzen: Wie kommuniziert die Person? Was ist ihr WIRKLICHES Ziel?

VDI: Können Sie konkrete Tipps geben, wie Frauen mehr Selbstbewusstsein und Souveränität in einer männerdominierten Umgebung aufbauen können?

Anna Bukowski: “Always start from the inside.” Das Wichtigste ist, sich ein gesundes Selbstbewusstsein „von innen“ aufzubauen. Dafür ist eine tolle kleine Übung sich JEDEN Abend drei Erfolge des Tages zu notieren, auf die man stolz ist. Wirklich stolz auf uns selbst zu sein, fällt uns oftmals nämlich gar nicht so leicht. So erinnern wir uns aktiv jeden Tag daran und reflektieren. Baut euch zudem ein bestärkendes Netzwerk auf, sprecht aktiv darüber und unterstützt euch gegenseitig. Gerade wir Frauen dürfen hier zusammenhalten: Empowered women empower women!

VDI: Warum ist es Ihnen wichtig, Frauen in solchen beruflichen Herausforderungen zu unterstützen und wie genau sehen Sie Ihre Rolle dabei?

Anna Bukowski: Ich persönlich weiß durch eigene Erfahrung wie hilfreich gutes Coaching und Mentoring in herausfordernden beruflichen Situationen sein kann. Daher habe ich mich als zertifizierte Business Coachin insbesondere auf Emotionsmanagement, Kommunikation und Konfliktcoaching spezialisiert. In Kombination mit vielen eigenen Erfahrungen kann ich so meinen Klientinnen den größten Mehrwert bieten.
Für mich ist es ein riesiges Herzensprojekt andere Frauen in Tech & IT bei diesen Herausforderungen zu unterstützen. Ganz getreu meinem Motto „We rise by lifting others“.

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